Erzbischof Georg Gänswein, Sekretär des am Silvestertag 2022 verstorbenen Papstes Benedikt XVI., tritt mit seinem Buch „Nichts als die Wahrheit“ gegen „entstellende Narrative“ an. Das hat er am 7. März im Münchner Salon Luitpold bekannt. Im Gespräch mit dem Journalisten Simon Biallowons sagte der Gast aus Rom, dass er damit auch argumentierte, um von seinem langjährigen Vorgesetzten einige Wochen vor dessen Tod ein Einverständnis für das Buchprojekt zu erlangen. „Es geht schnell, dass ein Narrativ in der Welt erzählt wird, das entstellt, das nicht der Wahrheit entspricht. Das betrifft eine ganze Reihe von Erfahrungen, auch die jüngsten im Jahr 2022, was München betrifft“, hätte er dem „Papa emerito“ gesagt. „Sind Sie überzeugt, dass es notwendig ist?“, habe Benedikt XVI. gefragt, was er mit „ja“ beantwortet habe. „Dann machen Sie es, aber sie haben auch die Verantwortung“, habe die Reaktion des 95-Jährigen gelautet.
„Ich wollte schon seit langem ein Buch schreiben und habe mir immer wieder Notizen gemacht, auch schon während des Pontifikats“, räumte er ein. Im zweiten und dritten Jahr nach dem Rücktritt sei der eine oder andere Bischof oder Kardinal zu ihm gekommen und habe ihn gebeten, etwas festzuhalten. Die Zusammenarbeit mit seinem Ko-Autor, empfohlen von einem Kurienkardinal, habe im Januar 2022 begonnen. Zweimal in der Woche hätten sie sich getroffen, er, Gänswein, habe erzählt, und der Journalist Saverio Gaeta habe die Formulierungen im Italienischen geschliffen. „Im August, September habe ich gemerkt, dass die Sache ein Gesicht bekommt.“ Sein neuestes Werk sehe er als „ernst und aufrichtig“.
Wie es für ihn persönlich weitergehe, wollte ein Zuhörer wissen: „Die Frage habe ich als erstes erwartet“, reagierte der Erzbischof schnell. Er wisse es jedoch nicht. Der Papst habe ihm mitgeteilt, dass er noch keine Entscheidung getroffen habe, vielmehr noch einen Aspekt zu bedenken habe, der den Erzbischof nur mittelbar betreffe. „Ich bin selbst auch neugierig. Ich weiß es nicht.“, betonte Gänswein.
Politisch wurde es an dem Abend nur ansatzweise. Nach der „prophetischen“ Benedikts Sicht auf die Kirche in Deutschland gefragt, bekannte Gänswein, er erkenne die Gefahr von „Strömungen, Überzeugungen, die mehr und mehr aus der Einheit hinauswollen“. Gegen Kritik an seinen Positionen und an der Publikation verteidigte er sich: „Ich akzeptiere nicht, dass man mir das Etikett „Hardliner“ anheftet, nur weil ich eine Überzeugung habe und diese äußere.“ Er nehme nichts von dem zurück, was er im Hinblick auf Personen zitiert habe. Schließlich sei alles genauso gesagt oder getan worden. Er wollte seinen Erfahrungen mit Papst Benedikt – „gegen die Stimmen, die schon da sind und was noch kommen wird“ – Gehör verschaffen. „Dann kann man nicht mehr daran vorbei – auch mit Blick auf manche Sachen, die man unwissend oder bösartig sei es dem Kardinal oder dem Papst, auch dem Papa emerito unterstellt hat.“
Simon Biallowons wollte wissen, was Gänswein und Benedikt XVI. jeweils aus München in Rom vermißt hätten. Der Erzbischof antwortete über sich: „Das Weißbier fehlt und die Liberalitas Bavariae fehlt in Rom.“ Auch fehle ihm die „Münchner Fröhlichkeit“. „Ich habe noch einen Koffer in München stehen gelassen“, bekannte er.
Die Fragen im Anschluss aus dem Publikum offenbarten: Hier saßen nicht die üblichen Papstfans und Kirchenreformer, überhaupt keine „Insider“ kamen zu Wort. Der erste Fragesteller wollte etwa wissen, ob katholische Kirchgänger sich vielleicht zu wenig in der Gesellschaft einbrächten, nicht ausreichen gute Werke täte und ungenügend Solidarität einforderten. Gänswein erinnerte in seiner Antwort an die „Nächstenliebe“ als Grundlage, an die Aufforderung durch die kirchliche Lehre zur Mitwirkung der Gläubigen in ihren Gemeinwesen. Ein anderer Fragesteller interessierte sich für die Gesprächskultur unter der Führung des damaligen Kardinal Ratzinger in der Glaubenskongregation. „Es zählten die Argumente“, entgegnete ihm Gänswein.
„Kommen Andersgläubige in den Himmel? Gibt es eine Hölle und gibt es das Fegefeuer“, wollte nun noch ein Gast wissen. Mit dem Begriff der „allein selig machenden Kirche“ habe man schon „viel Schindluder getrieben“, reagierte der Erzbischof. „Die schwachsinnigen….diese Missverständnisse bleiben haften, mehr als Dreck.“ Das ewige Leben zu erlangen, hänge davon ab, ob der Mensch so gelebt habe, wie sie leben sollte. „Was können wir unserer Jugend in Bezug auf den Glauben weitergeben“, wollte da schon der nächste Teilnehmer wissen. „Der Theologe Ratzinger wollte die Freude am Glauben vermitteln“, so lautete Gänsweins Antwort. Der Glaube möge nicht als Last gesehen werden. Vielmehr sollte den jungen Menschen vermittelt werden, dass sie durch den Glauben mit Belastungen im Leben besser fertig würden.
In dem Buch „Nichts als die Wahrheit – Mein Leben mit Benedikt XVI.“ geht es nicht nur um die gemeinsame Zeit in der Glaubenskongregation, während des Pontifikats und nach dem spektakulären Rücktritt. Es geht auch um den Vatikan und die Führung durch Papst Franziskus – Kirchengeschichte aus einem persönlichen Blickwinkel in der Nahaufnahme. Erschienen ist es im Herder-Verlag.